Grundsätze, Erfolge, Geschichte
Der Faire Handel
Viele Menschen in den Ländern des globalen Südens verdienen mit ihrer Arbeit nicht genug, um davon leben zu können. Unter ungerechten Welthandelsstrukturen erwirtschaften sie oft zu wenig für eine menschenwürdige Existenz. Der Faire Handel will das ändern. Ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen zu verbessern, ist das Ziel des Fairen Handels.
Das Grundprinzip ist, den Erzeugerinnen und Erzeugern für die gehandelten Produkte einen bestimmten Mindestpreis zu bezahlen. Damit soll ein höheres und verlässlicheres Einkommen als im herkömmlichen Handel ermöglicht werden. Auch wird angestrebt, langfristige partnerschaftliche Beziehungen zwischen Händlern und Erzeugern aufzubauen. In der Produktion sollen bestimmte Sozialstandards und ökologische Mindeststandards eingehalten werden. Der Schwerpunkt liegt bisher auf Waren aus Landwirtschaft und Handwerk, die aus dem Süden in Industrieländer exportiert werden.
Die Bewegung
Angesichts von grassierendem Hunger und Elend riefen in den siebziger Jahren mehrere Initiativen danach, die die Probleme an der Wurzel anfassen wollten. Die Waren sollten besser bezahlt werden – und zugleich politische Bewusstseinsbildung fördern. Es fanden sich Lieferanten für besser bezahlte Waren, etwa im Umfeld von Entwicklungsprojekten. Nach und nach entstanden Hunderte von Weltläden, Nicaragua-Kaffee und Jutetaschen wurden zu Symbolen für den angestrebten „Wandel durch Handel“.
Nach dem Erfolg in der alternativen Nische der Weltläden stellte sich nun – auf Drängen der Erzeuger – die Frage nach der Ausdehnung in den Massenmarkt. Denn erst der Durchbruch im „normalen“ Einzelhandel würde Veränderungen in größerem Maßstab bewirken können. Fairhandelsorganisationen begannen also Ende der achtziger Jahre damit, auch Supermärkte zu beliefern. 1992 wurde dann die Siegelorganisation Transfair gegründet, um durch unabhängige Zertifizierungen nachweisen zu können, dass Waren fair gehandelt werden. Im fairen Handel entwickeln sich nun zwei erfolgreiche Vertriebsschienen – verkörpert einerseits durch zertifizierte Produkte in den Supermärkten und andererseits durch heute rund 800 Weltläden, vertreten seit 1998 durch den Weltladen-Dachverband. Der Erfolg drückt sich nicht nur im Umsatz aus, sondern auch in der Öffentlichkeitsarbeit: So organisieren im September 2001 alle Akteure des Fairen Handels erstmals gemeinsam eine „Faire Woche“.
Auf internationaler Ebene wurde Ende 2001 ein Grundlagendokument für die weitere Entwicklung des Fairen Handels verabschiedet, die so genannte „Grundlage für eine verbesserte Zusammenarbeit im Fairen Handel“ (pdf). Diese schafft mit einer Definition des Fairen Handels eine Grundlage für das Zusammenwachsen der Fairhandelsbewegung und ist auch in Deutschland anerkannt.
Nachdem der Handel mit fair produzierten Waren in der Zivilgesellschaft, ihren Organisationen und bei den unmittelbar engagierten Unternehmen viel Resonanz erlebte, fand er auch durch die Bundesregierung wie auch durch große Einzelhandelsunternehmen Unterstützung. Das Ergebnis ist ein großer Rückhalt bei Verbraucherinnen und Verbrauchern und ein kontinuierlich zunehmendes Interesse. Dies belegen, in Deutschland wie auch in anderen Industrieländern, die Sensibilisierung für das Anliegen wie auch die stetig wachsenden Marktanteile. Im Jahr 2016 erzielte der Faire Handel in Deutschland einen Gesamtumsatz von ca. 1,3 Mrd. Euro, bei weiterhin positiven Erfolgsaussichten.
Das Selbstverständnis
Der Faire Handel hat im Süden wie Norden zahlreiche Beteiligte, die eine vielgestaltige Bewegung mit verschiedenen Handlungsansätzen darstellen. In dieser Vielfalt eint sie ein gemeinsames Selbstverständnis, das sie auf internationaler Ebene bereits 2001 formuliert haben:
„Fairer Handel ist eine Handelspartnerschaft, die auf Dialog, Transparenz und Respekt beruht und nach mehr Gerechtigkeit im internationalen Handel strebt. Durch bessere Handelsbedingungen und die Sicherung sozialer Rechte für benachteiligte Produzenten und Arbeiter – insbesondere in den Ländern des Südens – leistet der Faire Handel einen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung. Fairhandelsorganisationen (die von Verbrauchern unterstützt werden) sind aktiv damit beschäftigt, die Hersteller zu unterstützen, das Bewusstsein zu steigern und für Veränderungen bei den Regeln und dem Ausüben des konventionellen internationalen Handels zu kämpfen.“
Die Vorteile für die Erzeuger
Alle fair gehandelten Produkte stammen von Produzenten, die den Fair-Handels-Prinzipien verpflichtet sind. Dies sind entweder Genossenschaften, abhängig Beschäftigte in Landwirtschaft oder Fabriken oder Kleingruppen oder Familienbetriebe im Kunsthandwerk.
Der Faire Handel hat eigene Strukturen: Die Produkte werden zu fairen Bedingungen hergestellt und importiert. Bisher benachteiligte Produzenten erhalten die Möglichkeit, ihre Produkte unter fairen Bedingungen zu vermarkten. Zugleich geht es auch darum, den Erzeugern Gehör zu verschaffen und auf politischer Ebene für mehr Gerechtigkeit einzutreten. Auf diesem Weg hat der Faire Handel bereits wesentlich dazu beigetragen, in der Bevölkerung ein Bewusstsein für kritischen Konsum zu schaffen. Vielen Menschen ist es nicht mehr egal, wie Produkte entstehen, so dass viele Unternehmen inzwischen mehr auf faire Sozialstandards achten.
Typisch für Fairen Handel ist, dass für die Produkte ein Mindestpreis garantiert wird. Dieser muss immer gezahlt werden, auch wenn der Weltmarktpreis stark darunter liegt, liegt der jeweilige (Welt)Marktpreis darüber, muss der höhere Marktpreis bezahlt werden. Zusätzlich zum Verkaufspreis erhalten alle Produzentenorganisationen die Fairtrade-Prämie (weitere Informationen hier). Die Produzenten vor Ort entscheiden selbst über die Verwendungszwecke, wie beispielsweise die Trinkwasserversorgung, den Bau von Schulen, ein besseres Gesundheitswesen, Fortbildungen oder den Bau von Straßen.
Die Handelsbeziehungen sind partnerschaftlich angelegt, d. h. langfristige und möglichst direkt. Die bäuerlichen Genossenschaften können schon vor der Lieferung eine Anzahlung erhalten, um sich nicht verschulden zu müssen. Unterstützt wird auch die Umstellung auf biologische Landwirtschaft oder der Beistand für ihre Rechte.
Ausbeuterische Kinderarbeit und Zwangsarbeit sind im Fairen Handel verboten und es wird auf akzeptable Arbeitsbedingungen geachtet. So erhalten Angestellte in Fabriken und Landwirtschaft nicht nur angemessene Löhne, sondern profitieren auch von sozialer Vorsorge, bezahltem Urlaub und Arbeitsschutzmaßnahmen.
Der Vertrieb der Produkte liegt einerseits in der Hand von Firmen, die reine Fairhandelsorganisationen sind (z. B. GEPA, EL PUENTE, dwp oder BanaFair). Andererseits gibt es Firmen, die nur einige Produkte ihres Sortiments fair handeln; diese kennzeichnen diese Produkte mit dem Fairtrade-Siegel.
Die Erfolge des Fairen Handels
Die Verbraucherinnen und Verbraucher entscheiden durch ihre Kaufentscheidungen mit über den Stellenwert fairer Arbeits- und Lebensbedingungen im globalen Handel. Je mehr sie den Fairen Handel auch in Zukunft unterstützen, desto gerechter wird es im Welthandel zugehen. Bisher haben sie in Deutschland dazu beigetragen, dass der Marktanteil fairer Produkte stetig gewachsen ist. Die hohe Bekanntheit des Fairtrade-Siegels, das großes Vertrauen genießt, erleichtert die Entscheidung für faire Produkte.
Im Geschäftsjahr 2016 erreichte der Faire Handel in Deutschland mit 1,3 Milliarden Euro einen Rekordumsatz (14 % mehr als im Vorjahr) und verdoppelte damit seinen Umsatz gegenüber 2012. Im EU-Vergleich liegt Deutschland damit jedoch deutlich hinter der Schweiz und Großbritannien zurück: In der Schweiz ist der Pro-Kopf-Verbrauch fair gehandelter Produkte über viermal so hoch wie in Deutschland. Mit 36 % Umsatzanteil hält Kaffee die Spitzenposition, weit vor Südfrüchten, Blumen, Eiscreme und Textilien. Drei Viertel des fair gehandelten Kaffees waren 2016 bio-zertifiziert.
Neue Fairtrade-Programme ermöglichen es inzwischen Unternehmen, Kakao, Baumwolle und Zucker unter Fairtrade-Bedingungen einzukaufen und innerhalb ihrer Produktionskette einzusetzen, was neue Absatzwege erschließt. Aktuell führen über 30.000 Produkte weltweit das Fairtrade-Siegel.
Die Nutznießer in den Produzentenländern sind derzeit 1,5 Millionen Menschen in 74 Ländern weltweit und weit über tausend Produzentenorganisationen (80 % aller Fairtrade-Organisationen sind Zusammenschlüsse von Kleinbauern). Sie geben die Fair-Trade-Prämie insbesondere für Bildungsmaßnahmen, Organisationsentwicklung, Steigerung ihrer Produktivität und Qualität und für die Verbesserung von Unterkünften aus. Damit entstehen über die unmittelbaren ökonomischen Wirkungen hinaus bei den Produzenten und in ihrem Umfeld positive soziale Entwicklungseffekte (weitere Informationen hier).
Quellen: Forum Fairer Handel e. V., GEPA mbH, Fairtrade Deutschland e. V.